Das nächste Match des "First Teams" von West Ham United findet erst Montag in einer Woche (16.3.) gegen West Brom statt. Am heutigen Montag ist aber das "Reserves Team" gegen Arsenal im Einsatz, bei dem auch der 19-jährige Österreicher Georg Grasser im Mittelfeld dabei ist. Mittlerweile dürfte sich der junge Steirer, dem ein Lokalblatt schon bei seinem Debut in der U18 "passing ability" attestiert hatte, einen Stammplatz in der Reserve der Hammers erarbeitet haben. Auch gegen Arsenal hat er wieder einen Startplatz.
Einen Match-Vorbericht und Live Ticker kann man -> hier auf der offiziellen Website von West Ham finden. Beginn: 20 Uhr MEZ.
Über den Sprung von Georg Grasser auf die britischen Inseln habe ich jüngst einen längeren Beitrag für die österreichische Fußballzeitung "Null Acht", die soeben in sechster Ausgabe erschienen ist, vorbereitet. Für alle Freunde des RAPIDHAMMER hier dieser Artikel:
Sprung auf die Insel
Beim Londoner Traditionsklubs West Ham United spielt seit kurzem ein junger Österreicher: Georg Grasser wechselte siebzehnjährig im August 2008 vom GAK in das Academy Team der „Hammers”. RAPIDHAMMER hat nachgefragt, wie man den Sprung auf die Insel schafft, wo die Unterschiede zu Österreich liegen und welche Ziele sich der Grazer gesteckt hat.
Es war im Herbst 2007, als eine Jugendmannschaft aus der GAK-Akademie Freundschaftsspiele gegen Tottenham, Charlton und auch West Ham austrug. Bei Letzteren gefiel offenbar der links im Mittelfeld und in der Verteidigung zum Einsatz kommende Grasser und er erhielt eine Einladung für eine Woche Probetraining in London.
Im Sommer 2008 waren schließlich alle Bedingungen für einen Wechsel zu den „Hammers“ ausverhandelt. Für die Londoner sprach, so Grasser, dass man ihm ein „gutes Angebot“ gemacht habe und er in deren „Youth Academy“ die besten Möglichkeiten sah, sich weiterzuentwickeln.
The Academy of Football
Die „Academy of Football“ von West Ham United unter ihrem Leiter Tony Carr ist in England für ihre hervorragende Kickerausbildung bekannt. Aus dieser Talenteschmiede sind zahlreiche englische Teamspieler wie Rio Ferdinand, Frank Lampard, Joe Cole, Jermain Defoe und Michael Carrick hervorgegangen. Auch der legendäre Bobby Moore war ein West Ham-Eigenbau, und bis heute werden immer wieder Akademieabgänger in die erste Mannschaft von West Ham integriert – jüngst etwa der 19-jährige Stürmer Freddie Sears und der 20-jährige Mittelfeldspieler Jack Collison. Und der 21-jährige Mark Noble hat schon seit Längerem einen fixen Platz im West Ham-Mittelfeld und in der englischen U21.
In eine der Football Academies, die bei allen Premier League und manchen anderen Liga-Klubs eingerichtet sind, kann man frühestens mit neun Jahren aufgenommen werden. Allerdings dürfen Jugendliche unter 12 Jahren nicht weiter als eine Stunde bzw U16-Spieler nicht weiter als 90 Minuten vom Klubstandort entfernt wohnen. Bei West Ham gibt es in den unteren Altersstufen 15 Spieler pro Jahrgang, erläutert Akademie-Leiter Tony Carr, der die jährlichen Kosten mit einer Million Pfund beziffert, auch wenn in England viele Jugendtrainer so gut wie umsonst arbeiten. Mit 16 entscheidet sich meist, ob die jungen Kicker einen Drei-Jahres-Vertrag als Trainee erhalten. In diesem Zeitraum sollte man dann über das Youth Team in den Reservekader hineinwachsen. Theoretisch kann man in England aber schon mit 17 einen Profivertrag abschließen wie einst Wayne Rooney (Everton, Manchester United).
Georg Grasser war nicht ganz 18, als er von der GAK-Akademie in die berühmte „Academy of Football“ im Osten Londons wechselte. West Ham hat einen fairen Zwei-Jahres-Vertrag mit ihm abgeschlossen, an dessen Ende der Steirer ablösefrei wechseln kann. Obwohl er am 3. Oktober achtzehn Jahre alt geworden ist, kann Grasser heuer noch in der U18 spielen, weil auch drei ältere Spieler im Kader stehen dürfen. Inzwischen kommt er aber auch schon regelmäßig in der zweiten Mannschaft von West Ham zum Einsatz.
Harte Umstellung
Die Umstellung vom Fußball in Österreich zur U18 von West Ham, die gegen neun weitere Teams in der Premier Academy League spielt, bezeichnet Grasser als „sehr hart“. Obwohl er auch in Österreich eine Fußball-Akademie besucht hat, die für seine Entwicklung „ein guter Ort“ gewesen sei, war er „körperlich nicht ansatzweise auf dem Level, auf dem die anderen Spieler waren“. Die U18 in England „entspricht einer U19 in Österreich“, meint der junge Steirer. Das Training sei körperlich anspruchsvoller, es werde „auf ein bis zwei Kontakte gedrillt“ und auch im Training „will jeder sein Match gewinnen“. An Schnelligkeit und Körperbetontheit des englischen Spiels musste sich der vielseitige ÖFB-Youngster erst gewöhnen. Mittlerweile bestätigt man ihm aber auf der Klub-Website: „Georg Grasser is fitting in well.“
Fußball wird gelebt
Etwas deftiger drückt dasselbe Johnny Ertl, der bei Crystal Palace in der zweiten Liga englischen Liga unter Vertrag steht, in einem Interview mit dem „Kurier“ aus: „Du musst dir den Arsch aufreißen, das wollen die Leute hier sehen“. Einsatzbereitschaft, Tempo und sogar die Härte des Balles seien anders als in Österreich. „Es geht alles verdammt schnell. Die Netto-Spielzeit ist fünf bis sieben Minuten länger als in Österreich“, betont Ertl. Mit dem 26-jährigen Steirer – auch er wechselte im letzten Sommer auf die Insel – trifft sich Georg Grasser regelmäßig in London im Rahmen der sogenannten „Kernöl Connection“.
Einig sind sich Ertl und Grasser auch, was die Einstellung der Engländer zum Fußball betrifft: Fußball werde in England ganz anders gelebt als bei uns. Es tut unheimlich gut, in einer solchen Atmosphäre kicken zu können, sagen sie.
Für das praktische Leben und auch die Ausbildung hat West Ham vorgesorgt. Die Jugendspieler, die nicht in der Nähe leben, wohnen zusammen in einem großen Haus in Romford, Essex, im Osten Londons, nicht weit entfernt von den Trainingszentren in Chadwell Heath und Little Heath. West Ham United gibt den Jugendspielern die Möglichkeit, eine Trainerausbildung zu machen und die UEFA-B Lizenzprüfung abzulegen. Auch einen Schiedsrichterkurs mit Praxis hat Grasser schon erfolgreich absolviert. Jeden Mittwoch-Vormittag müssen die youth player im „College“ büffeln, wo sie eine Ausbildung erhalten, die ein Weiterstudium in bestimmten Fächern an Unis in England ermöglicht.
Schritt für Schritt
Was seine Zukunft betrifft, versucht Grasser, der zum Glück noch nie ernsthaft verletzt war, locker zu bleiben. Zunächst einmal ins „Reserves Team“ hineinzuwachsen und Profi-Fußballer zu bleiben, „in der bestmöglichen Liga“, nennt er seine Ziele. Er versuche aber, eher von Tag zu Tag zu denken, weil sich „alles auf einmal ändern kann, und man nie weiß, was morgen passiert“. Einen sportlichen Leitspruch oder ein Lebensmotto wollte Georg uns nicht verraten, so etwas „kann auch sehr einschränken“, meint er.
Das höchste der Gefühle wäre, im österreichischen Nationalteam zu spielen – so wie Freund Johnny Ertl, der siebenmal das Teamtrikot getragen hat. Grasser war U18-Nationalspieler, wurde aber in die U19, die derzeit um die Qualifikation für die EM 2009 in der Ukraine spielt, zuletzt nicht mehr einberufen. „Ich war natürlich enttäuscht über die Entscheidung der Trainer, und auch wie sie kommuniziert wurde“, beklagt sich der West Ham-Spieler. Allerdings habe er so auch die Möglichkeit genutzt, sich schneller bei seinem neuen Klub eingewöhnen zu können. Nun fühlt er sich nicht nur reif für die Insel: „Ich hoffe sehr, bald wieder eine Chance zu bekommen. Ich spüre schon, dass ich hier viel dazulerne und dem Team eine Hilfe sein kann.“
Weihnachten verbrachte Georg Grasser nach seinen ersten fünf Monaten in Fußball-England bei der Familie in Graz. Ab dem 2. Jänner wurde aber schon wieder fleißig in London trainiert; vormittags im Jugendtrainingszentrum, und nachmittags meistens im selben Areal wie das „First Team“ des englischen Premier League Klubs. In den ersten beiden Monaten des neuen Jahres hat sich Grasser nun einen Stammplatz in der von Alex Dyer trainierten West Ham-Reserve erarbeitet. Er kommt immer wieder von Beginn an in der zweiten Mannschaft zum Einsatz.
Can we have a little game?
„Da wir uns im gleichen Bereich aufhalten, kommt es auch oft zu Berührungspunkten mit der Ersten“, erzählt Grasser, den man in der Mannschaft mit seinem Vornamen „George“ nennt, über das tägliche Training. Bei den Trainingseinheiten der Reserves nehmen die Spieler der Kampfmannschaft manchmal auch aktiv teil. Da kann es dann schon mal heißen: „Can we have a little game please?”
Georg Grasser gegen Valon Behrami, Scott Parker oder Matthew Upson – da muss man sicher kämpfen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Aber wenn das gelingt, dann stehen auch einem Österreicher alle Wege offen bei dem Klub, den man „The Academy of Football“ nennt.
„Profi-Fußballer in der bestmöglichen Liga“ hat der ehrgeizige junge Steirer als Berufsziel genannt. Vielleicht sogar in der Premier League…
Internet:
http://www.georggrasser.at/
www.whufc.com/page/Youths
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