"In unserem Fall handelt es sich um das Resultat einer Spielanlage, die Josef Hickersberger, den ÖFB, die Liga und auch wichtige Spieler so widerspiegelt, wie sie sind: kleinmütig."
Martin Blumenau, FM4
Fünf Verteidiger (neben Stranzl, Pogatetz und Prödl spielen Standfest und Gercaliu bei ihren Klubs normalerweise hinten) und dazu zwei defensive Mittelfeldspieler (Säumel und Aufhauser): mit dieser vorsichtigen Variante startete Österreich in die Heim-EM. Im Mittelfeld außerdem Ivanschitz und Harnik, vorne allein auf weiter Flur Roland Linz, der auch keinen einzigen brauchbaren Pass bekam.
Eher eine Aufstellung für ein Auswärtsspiel, dachte ich, und eigentlich war's ja auch beinah ein Auswärtsspiel. Die ganze Stadt war fest in kroatischer Hand. Die Wiener Innenstadt schien ausschließlich aus Menschen mit dem roten Schachbrett-Muster zu bestehen, in der U-Bahn waren die paar Österreicher, die man sah, deutlich in der Minderheit und die Fangesänge, von denen die U-Bahn-Passagen widerhallten, waren kroatische Lieder.
Und mit dem Selbstvertrauen einer Heimmannschaft kamen die Kroaten im Ernst Happel Stadion auch aus der Kabine. Von Anfang an setzten sie die nervösen Österreicher, den "underdog" par excellence, unter Druck und wurden bereits nach drei Minuten mit einem - leider glasklaren - Elfer belohnt. Nachdem der künftige Tottenham-Spieler Luka Modric Stranzl hatte aussteigen lassen und auf Olic gepasst hatte, war Aufhauser, ungeschickt und übermotiviert, im Strafraum zu spät gekommen, hatte den Fuß stehen lassen und verhalf den Kroaten so zum 1:0 durch den Elfmeter von Modric.
"Quickly it became evident that Austria's players were unlikely to follow Modric to the Premier League", meinte BBC Online mit quälender Ironie zum weiteren Spielverlauf, und was die Österreicher in der ersten Hälfte die längste Zeit zeigten, war wirklich "lack of quality": kaum ein Pass, der ankam, Konfusion und Gerangel in der Abwehr und gar nichts nach vorne. Erst gegen Ende der ersten Halbzeit schienen die Rot-weiß-roten etwas Mut zu fassen und es gab zumindest ein paar Versuche auf das kroatische Tor.
Dass es auch anders gegangen wäre, zeigte dann Hälfte 2 - zumindest ab der 60. Minute, als nach der Hereinnahme von Vastic und später Korkmaz und Kienast endlich so etwas wie Offensive von der nominellen Heimmannschaft gezeigt und die Sicherheits- (oder Angsthasen-) Taktik, die Hicke für dieses Spiel ausgegeben hatte, spät aber doch aufgegeben wurde.
Aber wenn vorne ein torgefährlicher Stürmer fehlt, dann nützen auch 64% Ballbesitz nichts und es bleibt beim 0:1: Linz war ein Totalausfall, Harnik spielte im wesentlichen einen rechten Flügel, und Kienast war zwar gar nicht so schlecht, hat aber bisher fast nie was getroffen (die die Regel bestätigende Ausnahme: 1:0 gegen Nigeria).
So kam es, wie es kommen musste: Die Kroaten machten Party, die österreichischen Fans schlichen mit dem Gefühl, dass ihre Mannschaft "eh ganz gut gespielt" habe, nach Hause und müssen am Tag danach versuchen, sich wieder Mut zu machen: schließlich könne man ja auch mit vier Punkten (Sieg gegen Polen und Remis gegen Deutschland) aufsteigen, heißt es, und die Leistung in der zweiten Hälfte sei etwas, worauf sich aufbauen lasse.
Am Donnerstag geht's gegen Polen, und einen Tag vorher spielt auch Co-Veranstalter Schweiz schon um "die letzte Chance". Auch die Eidgenossen taten ja resultatmäßig alles, um die "Europhorie" nicht allzu sehr anschwellen zu lassen - noch mehr Fähnchen auf den Autos wären ja wirklich schon peinlich!
Und die Schweizer hat es noch schlimmer erwischt als Österreich: ihr Goalgetter Alexander Frei hat sich gegen Tschechien schwer verletzt und fällt für den Rest der Euro aus. So etwas kann Österreich immerhin nicht passieren: bei uns ist ein Goalgetter mit freiem Auge nämlich nicht auszumachen.
Noch ein interessantes Detail zum Kroatien-Spiel: Laut Zeitungen vom Montag spielten die Österreicher im eigenen Stadion vor 27.000 Kroaten und nur 24.000 Österreich-Anhängern.
Gegen Polen kommenden Donnerstag könnte es ähnlich sein. Es leben zahllose Polen in Wien, wenn auch vielleicht etwas weniger als Kroaten, und schon gegen Deutschland sollen die Fans aus "Polska" im Klagenfurter Stadion in der Überzahl gewesen sein. Ich fürchte, nach der Niederlage im Auftakt-Spiel gibt es vielleicht noch mehr österreichische Kartenbesitzer, die steigende Lebensmittel- und Spritpreise zu Geschäften veranlassen wie jene "zwei Steirer", von denen die Zeitung "Österreich" berichtet: Sie haben ihre beiden Karten vor dem Kroatien-Spiel um 5000 Euro verkauft.
Meine Frau meinte heute Früh schon, ein solcher Preis für meine beiden Polen-Tickets wäre ein schöner Beitrag zum Haushaltsbudget.
Monday, 9 June 2008
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